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Story
1982, Stockelsdorf, Trampen, Trampen ...

Der Anhalter

Boring Suburbia 4

von

»Immer nur in die Funz ist langweilig!«

 

Schnell aus dem Haus, den Bus in die Stadt noch kriegen! Paul lief, was das Zeug hielt, seine recht frische Raucherlunge spielte noch ganz gut mit.

Wenn er Julia schon nicht am Telefon erwischte, dann in ihrer neuen Schule. Dort konnte sie ihm nicht ausweichen, wenn er sie zur Rede stellte.

Vor drei Tagen, am Freitag, hatte sie am Telefon mit ihm Schluss gemacht. Ein wenig mehr als drei Sätze, keine Erklärung und vor allem, nicht von Angesicht zu Angesicht. Das war wohl das Mindeste, was er erwarten konnte, dachte Paul.

Vielleicht hatte sie einfach genug von ihrem »kleinen Punker« und es zog sie zu etwas Soliderem hin.

Eine elegante junge Dame und zugleich eine Schlampe - so umschrieb Paul ihre sexuelle Offenheit und meinte das keineswegs negativ. Julia ließ sich beim Ficken auch sehr gerne so nennen. Meist zog sie ihn dann noch näher an sich und bohrte ihre angefeilten Fingernägel in seine Arschbacken, bis Blut kam. Paul konzentrierte sich auf die Erinnerung an den Schmerz, den er bei diesen Eskapaden empfand, der aber in solchen Situationen seine Erektion nicht beeinträchtigen konnte.

Hier an der kalten Bushaltestelle funktionierte diese Art der gedanklichen Ablenkung hingegen recht gut. Es war auch dringend nötig, fand er, seine schwarze Jeans war beim Gedanken an Julia schon recht eng geworden.

Schwarze Lederjacke, Stiefel und Nieten waren hier in Boring Suburbia auffällig genug. Mit Kernseife toupierte Haare sowieso.

Laut Fahrplan war der Bus seit fünf Minuten durch. Die menschenleere Haltestelle schien dies zu bestätigen. Der nächste Bus kam in zwanzig Minuten. Der Fußmarsch zur Straßenbahn dauerte eine gute Stunde. Also tat Paul das, was viele junge Leute in den Boring Suburbias dieser Welt in solchen Fällen taten: Einen Schritt näher an die Fahrbahn und den Daumen raus, in der Hoffnung, das eines der wenigen Autos Richtung Stadt ihn mitnahm, bevor der nächste Bus kam .

Das ging im Zweifelsfall nicht nur schneller. Es war auch weniger nervenaufreibend, da man nicht von Arschlöchern belästigt wurde, die unbedingt einen gültigen Fahrausweis sehen wollten.

Im Gegenteil, es war normalerweise recht entspannt, und die Fahrer verlangten abgesehen von ein wenig Unterhaltung keine Gegenleistung.

Endlich hielt jemand an. Ein abgeranztes Wohnmobil, sehr ungewöhnlich für Zeit und Ort. Die Beifahrertür wurde aufgestoßen, ein schlecht rasierter langhaariger Mittdreißiger schaute heraus, ähnlich kaputt wie sein Vehikel.

»Willste mitfahren?«

»Klar, wenn du in die Stadt reinfährst.«

Der Fahrer bestätigte.

Das läuft ja besser als gedacht, dachte Paul. So sparte er noch ein gutes Stück Weg, den er sonst mit der Bahn hätte fahren müssen.

Paul schwang sich auf den Beifahrersitz. Ihm fiel sofort auf, dass ein Teil der Einrichtung im hinteren Bereich fehlte. Der Boden zwischen Fahrerkabine und Wohnbereich war voll alter Zeitschriften, dazwischen leere Tabakbeutel - Drum, Van Nelle - und die eine oder andere leere Zigarettenschachtel.

Es roch unangenehm. Nicht sehr stark, aber doch penetrant.

Ein Geruch nach feuchten Polstern, kaltem Zigarettenrauch und einer Komponente, die Paul sofort an das Bahnhofskino erinnerte, in dem er gelegentlich die Zeit bis zur ersten Bahn überbrückte, wenn er mal wieder in der Stadt versackt war. Dort müffelte es regelmäßig nach eingetrockneter Pisse und altem Sperma.

»Willste ne Zigarette?«, fragte Bernd, wie sich der Fahrer mittlerweile vorgestellt hatte.

»Danke, ich rauche lieber meine eigenen«, antwortete Paul. Die schleimige Art, wie Bernd die Zigarette anbot, widerte ihn an.

«Klong!« Irgendetwas war durch die Erschütterungen der Fahrt heruntergefallen, wahrscheinlich eine leere Flasche im hinteren Teil des Wohnmobils.

Paul drehte sich um.Sein Blick glitt über die verstreuten Zeitschriften. Ach du Scheiße, dachte er. Das waren keine gewöhnlichen Zeitschriften, das waren Pornohefte! Das halbe Wohnmobil war voll mit über den Boden verstreuten Pornoheften!

Und zwar Hochglanzmagazine, wie man sie nur für vergleichsweise viel Geld in Sexshops, oder aus den obersten Regalen gut ausgestatteten Zeitschriftenkioske bekam. Diese enthielten nicht nur die üblichen Tittenbilder, sondern auch ganzseitige explizite Darstellungen mit Mösen und Schwänzen. Letztere waren meist erigiert und steckten in allen möglichen schleimtriefenden Körperöffnungen .

Bernd erzählte von seinen diversen Urlaubsreisen mit dem Wohnmobil und wie er vor Ort irgendwelche hübschen Jungs »klargemacht« hätte.

»Stehst du nicht auf auf Frauen?«, fragte Paul.

»Doch schon«, antwortete Bernd. »Aber immer nur in die Funz ist ja auch langweilig.«

Eine peinliche Stille breitete sich im Wagen aus, unterbrochen nur von dem rhythmischen Nageln des alten Dieselmotors.

Wenn er jetzt zudringlich wird, polier ich ihm seine widerwärtige Hippiefresse, dachte Paul. Aus dem gleichmäßigen Dahinrollen wurde ein Stop And Go, als die Ampeldichte langsam zunahm. Ein Zeichen dafür, dass sie sich der Innenstadt näherten.

»Sag mal, du bist doch über achtzehn, oder?«, fragte Bernd und legte gleichzeitig seine rechte Hand auf Pauls linkes Knie.

Offensichtlich eine rein rhetorische Frage. Paul spürte sofort, dass eine abschlägige Antwort für diesen Drecksack keinen Unterschied machen würde. Paul packte Bernds rechte Hand und verbog ruckartig sein Handgelenk. Bernd schrie und verriss das Lenkrad, das Paul sofort wieder in die richtige Position brachte, bevor sie im Straßengraben landeten. Da war kaum Widerstand gewesen. Paul war Bernd offensichtlich körperlich weit überlegen. Der Ferienjob auf dem Bau, hatte sich jetzt noch ein zweites Mal ausgezahlt.

»Du bist ja ein richtig starker Mann!«, sagte Bernd mit immer noch schmerzverzerrtem Gesicht. »Wie wärs, wenn du mich hart von hinten rannimmst und … ich habe auch Geld!«

Paul hämmerte seine linke Faust rückwärts aus dem Ellbogengelenk in Bernds Gesicht.

»Knack!« Das war wohl Bernds Nase gewesen. Dieser schien den Schmerz regelrecht zu genießen. Trotz des blutigen Rinnsals, das sich nun wie ein kleines Flussdelta über seinem fleckigen Hemd verteilte.

Bernd hielt am Straßenrand, um seine Nase und die Hand zu begutachten.

»Pass mal auf, du langhaarige Sau!«, verkündete Paul. »Das Geld nehme ich! Aber du wirst dir jemand anders suchen müssen, der dir deine versiffte Rosette bohnert!«

Mit allen Geldscheinen aus Bernds Brieftasche, insgesamt knapp über 200 Mark, sprang Paul aus dem Wagen und verschwand in der nächsten Seitenstraße. Das Kleingeld und die Euroschecks hatte er ihm gelassen, deren Herkunft hätte er im Falle einer Polizeikontrolle ohnehin nicht plausibel erklären können.

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